Omega-3-Fettsäuren – Sicherheitsbewertung
Das U.S. Food and Nutrition Board (U.S. amerikanische Amt für Lebensmittel und Ernährung) hat die Obergrenze für EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure) aus Nahrungsergänzungen auf 3 g pro Tag festgelegt. |
Personen, die eine erhöhte Neigung zu Blutungen haben, wie beispielsweise durch Medikamente, sollten größere Vorsicht walten lassen. Zur Risikogruppe der empfindlichen Personen mit erhöhter Blutungsneigung gehören Menschen, die Antikoagulantien (Blutgerinnungshemmer) vom Typ Cumarin (z. B. Marcumar) einnehmen. Omega-3-Fettsäuren können durch einen Vitamin-K-unabhängigen Effekt die Wirkung von Blutgerinnungshemmern verstärken.
Die langkettigen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA sind als allgemein sicher anerkannt (GRAS-Status, generally recognized as safe) und die Studienlage zeigt, dass die tägliche Einnahme von bis zu 3 g EPA und DHA die Blutungsneigung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erhöht [1].
Ernsthafte nachteilige Reaktionen sind bezüglich Omega-3-Fettsäuren (EPA, DHA) aus Nahrungsergänzungen nicht berichtet worden. Die häufigsten Nebenwirkungen beschränken sich auf einen fischartigen Nachgeschmack, Aufstoßen und gelegentlich Sodbrennen. Hohe Dosen können Übelkeit und weiche Stuhlgänge verursachen.
Als unerwünschte Effekte einer hohen Zufuhr an langkettigen Omega-3-Fettsäuren (EPA und DHA) werden eine Verlängerung der Blutungszeit, eine Unterdrückung des Immunsystems sowie eine Erhöhung des LDL-Cholesterinspiegels diskutiert.
Verlängerung der Blutungszeit: Das Potential hoher Dosierungen an Omega-3-Fettsäuren, insbesondere EPA und DHA, die Blutungszeit zu verlängern, ist inzwischen gut erforscht worden. Dieser Effekt könnte eine Rolle bei der kardioprotektiven Wirkung (Schutzfunktion für das Herzkreislaufsystem) der Omega-3-Fettsäuren spielen. Bei den Eskimos auf Grönland wurden übermäßig lange Blutungszeiten und auch eine erhöhte Inzidenz (Häufigkeit) für Hirnblutungen festgestellt, was wahrscheinlich auf die Einnahme von sehr hohen Dosen an Omega-3-Fettsäuren (etwa 6,5 g pro Tag) über die Nahrung zurückzuführen ist. Allerdings ist nicht bekannt, ob die Omega-3-Fettsäuren der einzige Grund hierfür sind. In einer Studie an Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Hypercholesterinämie (erhöhte Cholesterinwerte im Blut) führte eine Menge von 1,5 g Omega-3-Fettsäuren, eingenommen über mehrere Monate, zu vermehrtem Nasenbluten [2]. In einer weiteren Studie wurde nach Gabe von 2 g EPA (Eicosapentaensäure), eingenommen über 12 Wochen, eine verlängerte Blutungszeit gemessen [3].
Unterdrückung des Immunsystems: Omega-3-Fettsäuren haben eine antiinflammatorische (entzündungshemmende) Wirkung und können bei entsprechenden Erkrankungen therapeutisch eingesetzt werden. Antiinflammatorisch (entzündungshemmend) wirksame Dosen von Omega-3-Fettsäuren können möglicherweise die Wirkung des Immunsystems verringern [4]. In vitro-Studien haben gezeigt, dass dies bereits bei einer Dosis von 0,9 g/Tag für EPA und 0,6 g/Tag für DHA eintreten kann. In einer Humanstudie mit 48 gesunden Personen führte die Einnahme von Fischölkapseln (720 mg EPA + 280 mg DHA) über einen Zeitraum von 12 Wochen sowohl zu einer verminderten Aktivität der natürlichen Killerzellen um 48 % als auch zu einer verminderten Proliferation (Wachstum und Vermehrung) der T-Lymphozyten um bis zu 65 % [5, 6]. Diese Effekte werden üblicherweise positiv als entzündungshemmend interpretiert, jedoch bedeuten sie auch eine Schwächung der Immunantwort auf Krankheitserreger. Für die gesunde und insbesondere die ältere Bevölkerung ist eine Unterdrückung der spezifischen als auch der unspezifischen Immunabwehr nicht erwünscht und beinhaltet ein Risiko [7].
Erhöhung des LDL-Cholesterinspiegels: Fast alle Studien zu Omega-3-Fettsäuren stellten auch eine Erhöhung des LDL-Cholesterinspiegel (cholesterinhaltige Lipoproteine geringer Dichte, Low Density Lipoproteins) fest. Dabei konnte eine Studie zeigen, dass der Anstieg des LDL-Cholesterins bei Mengen von 2,4 g DHA und EPA pro Tag höher ist (26 % Anstieg) als bei sehr großen Mengen DHA und EPA von über 4 g am Tag (11 % Anstieg) [8]. In einer anderen Studie führte bereits eine Menge von 700 mg DHA, eingenommen über 3 Monate, zu einem leichten Anstieg des LDL-Cholesterinspiegels von 7 % [9].
Erhöhung des Risikos für Vorhofflimmern bei Patienten mit etablierten kardiovaskulären Erkrankungen oder kardiovaskulären Risikofaktoren: Am 16.11.2023 veröffentlichte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) den Rote-Hand-Brief „Omega-3-Fettsäure-haltige Arzneimittel: Dosisabhängig erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern bei Patienten mit etablierten kardiovaskulären Erkrankungen oder kardiovaskulären Risikofaktoren“ [10].
Hintergrund war, dass Studien [11] sowie weitere systematische Übersichten und Metaanalysen randomisierter kontrollierter Studien [12-14] auf ein erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern durch die Supplementation von Omega-3-Fettsäuren hinwiesen. Das beobachtete, erhöhte Risiko für Vorhofflimmern beginnt demnach ab 1 g Omega-3-Fettsäuren /Tag und ist am höchsten bei einer Dosis von 4 g Omega-3-Fettsäuren/Tag. Auf Basis dieser Studienergebnisse empfahl die europäische Arzneimittelbehörde EMA, die Produktinformationen von Omega-3-Fettsäure-Ethylester-haltigen Arzneimitteln hinsichtlich des Risikos von Vorhofflimmern zu aktualisieren. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geht mit ihrem Roten-Hand-Brief noch einen Schritt weiter und empfiehlt auch die Produktinformationen von weiteren Omega-3-Fettsäure-haltigen Arzneimitteln entsprechend zu aktualisieren. Nahrungsergänzungsmittel enthalten zum Teil ähnlich hohe Omega-3-Fettsäure-Dosierungen wie Arzneimittel. Daher lohnt sich auch hier immer ein Blick auf die enthaltene Menge.
Des Weiteren wurde folgendes Fachbuch für die Verfassung dieses Artikels herangezogen [15].
Literatur
- Kris-Etherton PM, Harris WS, Appel LJ: Fish consumption, fish oil, omega-3 fatty acids, and cardiovascular disease. Circulation. 2002;106(21):2747-2757.
- Clarke JTR, Cullen-Dean G, Regelink E, Chan L, Rose V: Increased incidence of epistaxis in adolescents with familial hypercholesterolemia treated with fish oil. J. Pediatr. 116 (1990) 139-141
- Emsley R, Niehaus DJ, Oosthuizen PP, Koen L, Ascott-Evans B, Chiliza B, van Rensburg SJ, Smit RM: Safety of the omega-3 fatty acid, eicosapentaenoic acid (EPA) in psychiatric patients: results from a randomized, placebo-controlled trial. Psychiatry Res. 2008 Dec 15;161(3):284-91. Epub 2008 Oct 29.
- Harbige LS: Fatty acids, the immune response, and autoimmunity: a question of n-6 essentiality and the balance between n-6 and n-3. Lipids. 2003;38(4):323-341.
- Thies F, Nebe-von-Caron G, Powell JR, Yaqoob P, Newsholme EA, Calder PC: Dietary supplementation with gamma-linolenic acid or fish oil decreases T lymphocyte proliferation in healthy older humans. J Nutr. 2001(a) Jul;131(7):1918-27.
- Thies F, Nebe-von-Caron G, Powell JR, Yaqoob P, Newsholme EA, Calder PC: Dietary supplementation with eicosapentaenoic acid, but not with other long-chain n-3 or n-6 polyunsaturated fatty acids, decreases natural killer cell activity in healthy subjects aged >55 y. Am J Clin Nutr. 2001(b) Mar;73(3):539-48.
- Bundesinstitut für Risikobewertung; Für die Anreicherung von Lebensmitteln mit Omega-3-Fettsäuren empfiehlt das BfR die Festsetzung von Höchstmengen; Stellungnahme Nr. 030/2009 des BfR vom 26. Mai 2009
- Hooper L, Thompson RL, Harrison RA, Summerbell CD, Moore H, Worthington HV, Durring-ton PN, Ness AR, Capps NE, Davey Smith G, Riemersma RA, Ebrahim SB: Omega 3 fatty acids for prevention and treatment of cardiovascular disease. Cochrane Database Syst Rev. 2004 Oct 18;(4):CD003177.
- Theobald HE, Chowienczyk PJ, Whittall R, Humphries SE, Sanders TA: LDL cholesterol-raising effect of low-dose docosahexaenoic acid in middle-aged men and women. Am J Clin Nutr. 2004 Apr;79(4):558-63.
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Rote-Hand-Brief: Omega-3-Fettsäure-haltige Arzneimittel: Dosisabhängig
erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern bei Patienten mit etablierten kardiovaskulären Erkrankungen oder kardiovaskulären Risikofaktoren - Gaba P, Bhatt DL, Steg PG, Miller M, Brinton EA, Jacobson TA, Ketchum SB, Juliano RA, Jiao L, Doyle RT Jr, Granowitz C, Tardif JC, Giugliano RP, Martens FMAC, Gibson CM, Ballantyne CM; REDUCE-IT Investigators. Prevention of Cardiovascular Events and Mortality With Icosapent Ethyl in Patients With Prior Myocardial Infarction. J Am Coll Cardiol. 2022 May 3;79(17):1660-1671
- Gencer B, Djousse L, Al-Ramady OT, Cook NR, Manson JE, Albert CM. Effect of Long-Term Marine ɷ -3 Fatty Acids Supplementation on the Risk of Atrial Fibrillation in Randomized Controlled Trials of Cardiovascular Outcomes: A Systematic Review and Meta-Analysis. Circulation. 2021 Dec 21;144(25):1981-1990
- Lombardi M, Carbone S, Del Buono MG, Chiabrando JG, Vescovo GM, Camilli M, Montone RA, Vergallo R, Abbate A, Biondi-Zoccai G, Dixon DL, Crea F. Omega-3 fatty acids supplementation and risk of atrial fibrillation: an updated meta-analysis of randomized controlled trials. Eur Heart J Cardiovasc Pharmacother. 2021 Jul 23;7(4):e69-e70
- Yu F, Qi S, Ji Y, Wang X, Fang S, Cao R. Effects of omega-3 fatty acid on major cardiovascular outcomes: A systematic review and meta-analysis. Medicine (Baltimore). 2022 Jul 29;101(30):e29556
- Hahn A, Ströhle A & Wolters M. (2023). Ernährung. Physiologische Grundlagen, Prävention, Therapie (4. Auflage). Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft