Lutein – Funktionen
In pflanzlichen Organismen erfüllt Lutein als wesentlicher Bestandteil der Photosysteme unter anderem die Funktionen des Lichtsammelns und der Photoprotektion. Ein Photosystem besteht aus einem Antennekomplex beziehungsweise Lichtsammelkomplex (Lichtsammelfalle) sowie einem Reaktionszentrum und stellt eine Ansammlung von Proteinen und Pigmentmolekülen – Chlorophylle und Carotinoide – dar. Es ist auf der inneren Membran – Thylakoidmembran – von Chloroplasten, die Orte der Photosynthese, lokalisiert. Der Lichtsammelkomplex jedes Photosystems ist aus etwa 250 oder 300 Eiweißmolekülen aufgebaut, die mit Chlorophyll- und Carotinoidpigmenten verbunden sind. Durch den Einfall von Licht wird der Antennenkomplex in einen energiereichen, angeregten Zustand angehoben. Lutein und andere Carotinoide haben hierbei die Aufgabe, die Lichtquanten zu absorbieren und dessen Energie von einem Molekül zum nächsten an das Reaktionszentrum des Photosystems weiterzuleiten. Im Reaktionszentrum angekommen, wird die Energie von Chlorophyll-a-Molekülen aufgenommen. Diese nutzen die Energie für die Gewinnung von chemischen Energieäquivalenten. Das Reaktionszentrum der Photosysteme stellt schließlich eine irreversible Falle für Lichtquanten dar [13].
Darüber hinaus wirkt Lutein antioxidativ und erlangt dadurch eine lebenswichtige Schutzfunktion für pflanzliche sowie tierische Zellen. Es ist in der Lage, zellzerstörenden Singulettsauerstoff abzufangen. Singulettsauerstoff gehört zu den Freien Radikalen, die mit Lipiden, insbesondere mehrfach ungesättigten Fettsäuren und Cholesterin, Proteinen, Nukleinsäuren, Kohlenhydraten sowie der DNA reagieren und diese modifizieren oder zerstören können – oxidativer Stress [2]. Bei der Entgiftung des Singulettsauerstoffs wirkt Lutein als Zwischenträger der Energie – es gibt die Energie in Wechselwirkung mit seiner Umgebung in Form von Wärme ab – Prozess des "Quenchings". Auf diese Weise wird reaktiver Singulettsauerstoff unschädlich gemacht [11, 23].
Untersuchungen an mutierten Organismen, bei denen Carotinoide, hauptsächlich Lutein gänzlich fehlten, ergaben, dass die Zellen bei Anwesenheit von Sauerstoff zerstört wurden. Die Zellbestandteile – Lipide, Proteine und Nukleinsäuren – waren den reaktiven Sauerstoffverbindungen schutzlos ausgeliefert. Die Folge war der Zelltod [11, 13].
Lutein und Krankheiten
Lutein und Augenerkrankungen
Lutein und Zeaxanthin spielen eine bedeutende Rolle bei der Prophylaxe des Katarakts (grauer Star) und der altersbedingten Makuladegeneration (AMD). Beide Augenkrankheiten stellen die zwei Hauptursachen von Sehbehinderungen und Erblindung dar, noch vor der diabetischen Retinopathie – eine durch Diabetes mellitus hervorgerufene Erkrankung der Netzhaut des Auges [3, 19].
Altersbedingte Makuladegeneration (AMD)
Die Macula lutea (gelbe Fleck) befindet sich nahe dem Zentrum der Retina (Netzhaut), ein dünnes, transparentes, licht-sensitives Nervengewebe, das aus Fotorezeptorzellen, den Stäbchen und Zapfen, aufgebaut ist. Der Gelbe Fleck hat einen Durchmesser von etwa 5 Millimeter und weist die größte Dichte von Stäbchen und Zapfen auf. Vom äußeren (Perifovea) zum inneren Bereich (Parafovea) der Macula nimmt der Anteil der Stäbchen ab, sodass in der Fovea centralis ausschließlich Zapfen – für die Farbwahrnehmung verantwortliche Sehzellen – zu erwarten sind. Die Fovea centralis des Gelben Flecks ist der Bereich des schärfsten Sehens und spezialisiert auf höchste Ortsauflösung. Damit liegt nahe, dass zur Fovea centralis hin der Gehalt an Lutein und Zeaxanthin stark ansteigt, um den empfindlichen Zapfen einen ausreichenden Schutz zu gewähren [12, 25].
Neben Lutein und Zeaxanthin konnte auch meso-Zeaxanthin in der Retina in nennenswerten Mengen gefunden werden. Vermutlich stellt meso-Zeaxanthin ein Umwandlungsprodukt von Lutein dar [4]. In der Fovea centralis scheint Lutein eine chemische Reaktion durchzumachen. Durch reaktive Verbindungen könnte es zu Oxolutein oxidieren und infolge der Reduktion zu Zeaxanthin und meso-Zeaxanthin umgewandelt werden. Die dafür benötigten Enzyme konnten bisher nicht identifiziert werden [18]. Da die Retina von Kindern im Vergleich zu der von Erwachsenen mehr Lutein und weniger meso-Zeaxanthin enthält, scheint dieser Mechanismus im kindlichen Organismus noch nicht so stark ausgeprägt zu sein [5].
Die Stäbchen und Zapfen der Retina weisen einen hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren auf und sind deshalb äußerst empfindlich gegenüber Lipidperoxidation. Zudem sind sie einer starken Belastung durch Lichtstrahlen ausgesetzt – hohes Risiko für photooxidative Schädigungen. Lutein wirkt in der Retina einerseits als Lichtfilter und andererseits als Antioxidans [3, 23]. Das Xanthophyll besitzt die Fähigkeit, kurzwellige blaue Lichtstrahlen aus dem normalen Spektralbereich des Lichts herauszufiltern. Besonders das energiereiche blaue Licht wird für die Bildung von Singulettsauerstoff und anderen reaktiven Sauerstoffverbindungen durch Überführung von exo- sowie endogenen Photosensibilisatoren in einen angeregten Zustand verantwortlich gemacht [17]. So bewahrt Lutein das Auge vor radikalischen Angriffen und photooxidativen Schäden. Weiterhin kann Lutein reaktive Sauerstoffspezies inaktivieren – Quenching –, Kettenreaktionen Freier Radikale unterbrechen und somit die Lipidperoxidation reduzieren [11, 23]. Dadurch wird die Bildung von beispielsweise Lipofuscin, einer photoreaktiven Substanz, unterbunden. Lipofuscin gehört einer chemisch nicht eindeutig definierten Gruppe von verschiedenen komplexen, aggregierten Gebilden aus Lipiden und Proteinen an. Die prooxidative Substanz erhöht das Risiko der altersabhängigen Makuladegeneration [2, 11, 23].
Die Xanthophyllpigmente in der Fovea centralis des Gelben Flecks sind präferentiell ausgerichtet und können deshalb polarisiertes Licht nur in bestimmten Richtungen absorbieren. Durch bevorzugte Absorption von polarisiertem Licht aus bestimmten Winkeln kann Lutein Glanz- und Blendeffekte vermindern [12].
Darüber hinaus wird vermutet, dass Lutein die Effekte der chromatischen Aberration (Abbildungsfehler optischer Linsen) mildern und so die Sehschärfe insbesondere im kurzwelligen Bereich verbessern kann. Bei Patienten mit kongenitaler Retinadegeneration führt eine erhöhte Lutein-Zufuhr durch vermehrten Verzehr von beispielsweise Spinat oder Grünkohl zu einer besseren Kontrastschärfe, weniger Blendeffekten und verbesserten Farbwahrnehmung [10].
Durch Untersuchungen an verstorbenen AMD-Patienten fand man heraus, dass deren Netzhäute signifikant erniedrigte Lutein- und Zeaxanthingehalte aufwiesen. Schließlich gehen hohe Konzentrationen an Lutein und Zeaxanthin in der Retina (Netzhaut) mit einem um bis zu 82 % geringeren Risiko für AMD einher [6]. Eine ausreichende Aufnahme von Lutein- und Zeaxanthin-reichen Lebensmitteln spielt daher eine wesentliche Rolle. Mit einer vermehrten Zufuhr von Lutein und Zeaxanthin lassen sich die Konzentrationen in der Macula lutea der Retina deutlich steigern. Die Gehalte der Xanthophylle in der Retina korrelieren mit deren Serumspiegeln. Die Anreicherungsprozesse benötigen bis zu mehreren Monaten, sodass die erhöhte Lutein- und Zeaxanthin-Aufnahme langfristig angelegt sein muss [14]. In entsprechenden Studien waren die Konzentrationen beider Xanthophylle nach nur einem Monat noch nicht signifikant gestiegen [21].
Eine erhöhte Aufnahme von Lutein ist mit keinen Nebenwirkungen, wie Hypercarotinemie, Carotinodermie und Veränderungen bei hämatologischen oder biochemischen Prozessen, verbunden [24].
Katarakt (grauer Star)
Ähnlich wie bei der AMD bestätigen wissenschaftliche Studien die prophylaktische Wirkung von Lutein bei Katarakt. Im Sinne der antioxidativen Eigenschaft verhindert Lutein die photochemische Erzeugung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) in den verschiedenen Geweben des Auges, welche der Auslöser der Erkrankung sein könnte. Sauerstoffradikale führen unter anderem zur Modifizierung der Linsenproteine, Ansammlung von Glykoproteinen, Oxidationsprodukten der Aminosäure Tryptophan sowie zahlreichen fluoreszierenden Molekülen exogener und endogener Quellen. Diese Sensibilisatoren werden schließlich für die Eintrübung der Linse verantwortlich gemacht [8, 16].
Indem eine langfristige, regelmäßige sowie hohe Zufuhr von Lutein-reichen Lebensmitteln die schädigenden Einflüsse von Licht und Sauerstoff signifikant reduziert, wird das Kataraktrisiko um bis zu 50 % verringert. Lutein wirkt dabei synergistisch mit anderen Antioxidantien, wie beispielsweise mit den Enzymen Superoxid-Dismutase, Katalase und Gluthation-Peroxidase. Hohe Konzentrationen von Lutein als auch Zeaxanthin in der Retina korrelieren mit transparenten Linsen [15].
Weitere epidemiologische Studien kamen zu dem Ergebnis, dass Personen mit verstärkter Aufnahme von Lutein und Zeaxanthin, jedoch nicht von anderen Carotinoiden oder Vitamin A, ein deutlich vermindertes Risiko von Kataraktoperationen aufwiesen [8, 9].
Olmedilla et al. 2001 haben gezeigt, dass Lutein bei Kataraktpatienten zu einer Verbesserung des Sehvermögens, einem Rückgang der Blendeempfindlichkeit und einem Anstieg der Sehschärfe führt [24].
Funktionen in Lebensmitteln
Da Lutein relativ lagerungsstabil ist während der Be- und Verarbeitung von Nahrungsmitteln nur geringe Verluste auftreten, findet Lutein als Einzelsubstanz oder Bestandteil von Pflanzenextrakten Anwendung als Lebensmittelfarbstoff. Lutein liefert eine gelborangene Farbe und ist beispielsweise in Suppen, Saucen, aromatisierten Getränken, Desserts, Gewürzen, Süß- und Backwaren enthalten [1]. Lutein wird auch zur indirekten Färbung über das Tierfutter eingesetzt. Vor allem wird es Hühnerfutter beigemengt, wodurch das charakteristische Gelb des Eidotters verstärkt wird.
Des Weiteren stellt Lutein einen wichtigen Vorläufer von Aromastoffen dar. Das Xanthophyll wird durch Cooxidation mit Hilfe von Lipoxygenasen, durch das Reagieren mit reaktiven Sauerstoffverbindungen und unter thermischer Belastung abgebaut. Aus Lutein entstehen Carbonylverbindungen mit niedriger Geruchsschwelle [27].
Des Weiteren wurden die folgenden Fachbücher für die Verfassung dieses Artikels herangezogen [28, 29].
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