Lycopin – Definition, Synthese, Resorption, Transport und Verteilung

Lycopin (abgeleitet von dem wissenschaftlichen Namen Solanum lycopersicum: "Tomate") gehört zur Klasse der Carotinoide – jene sekundäre Pflanzenstoffe (bioaktive Substanzen, die keine lebenserhaltende nährende Funktion haben, sondern sich durch ihre gesundheitsfördernden Wirkungen auszeichnen – "anutritive Inhaltsstoffe"), die als lipophile (fettlösliche) Pigmentfarbstoffe für die gelbe, orange und rötliche Farbe zahlreicher Pflanzen verantwortlich sind [4, 6, 7, 22, 25, 28, 50, 54].

Entsprechend ihrer chemischen Struktur lassen sich die Carotinoide in Carotine, die aus Kohlenstoff (C) und Wasserstoff (H) aufgebaut sind – Hydrocarbone –, und Xanthophylle, die neben C- und H-Atomen zusätzlich Sauerstoff (O) enthalten – substituierte Hydrocarbone –, unterteilen. Lycopin wird zu den Carotinen gezählt und weist die Summenformel C40H56 auf. Ebenso stellen Alpha-Carotin und Beta-Carotin Carotine dar, während Lutein, Zeaxanthin und Beta-Cryptoxanthin der Gruppe der sauerstoffhaltigen Xanthophylle angehören [4, 6, 7, 15, 20, 22, 28, 35, 50, 54].

Strukturmerkmal von Lycopin ist die mehrfach ungesättigte Polyenstruktur (organische Verbindung mit mehreren Kohlenstoff-Kohlenstoff (C-C)-Doppelbindungen), bestehend aus 8 biologischen Isoprenoid-Einheiten (→ Tetraterpen) und 13 Doppelbindungen, wovon 11 konjugiert (mehrere aufeinanderfolgende Doppelbindungen, die durch genau eine Einfachbindung getrennt sind) sind [4, 6, 22, 28, 35, 50, 54]. Das System konjugierter Doppelbindungen ermöglicht es dem Lycopin, sichtbares Licht im höheren Wellenlängenbereich zu absorbieren, wodurch das Carotin seine rote Farbe erhält [23, 51]. Darüber hinaus ist die Polyenstruktur für einige physikochemischen Eigenschaften des Lycopins verantwortlich, die im direkten Zusammenhang mit deren biologischen Wirkungen (→ antioxidatives Potential) stehen [44, 51]. Im Gegensatz zu anderen Carotinoiden, wie Alpha- und Beta-Carotin, Beta-Cryptoxanthin, Lutein und Zeaxanthin, trägt Lycopin keinen Trimethylcyclohexen-Ring an den Enden der Isoprenoidkette (→ acyclische Struktur). Zudem hat das Carotin keine Substituenten gebunden [4, 6, 22, 28, 35, 50, 54]. Lycopin ist ausgesprochen lipophil (fettlöslich), was die intestinale (darmbezogene) Resorption und Verteilung im Organismus beeinflusst [4].

Lycopin kann in verschiedenen geometrischen Formen (cis-/trans- beziehungsweise Z-/E-Isomerie) auftreten, die ineinander umwandelbar sind [5, 6, 22, 25, 53, 56, 57]:

  • all-trans-Lycopin
  • 5-cis-Lycopin
  • 7-cis-Lycopin
  • 9-cis-Lycopin
  • 11-cis-Lycopin
  • 13-cis-Lycopin
  • 15-cis-Lycopin

In der Pflanze dominiert das all-trans-Isomer mit 79-91 %, während im menschlichen Organismus mehr als 50 % des Lycopins in der cis-Form vorliegt [4, 6, 51, 53, 56]. Das in pflanzlichen Lebensmitteln enthaltene all-trans-Lycopin wird einerseits durch exogene Einflüsse, wie Hitze und Licht [6, 54], und andererseits durch den sauren Magensaft teilweise zu seinen cis-Formen isomerisiert (umgewandelt), die aufgrund mangelnder Fähigkeit zur Aggregation (Zusammenlagerung) und Kristallisation eine bessere Löslichkeit, eine höhere Absorptionsrate sowie einen schnelleren intra- und extrazellulären (innerhalb und außerhalb der Zelle) Transport im Vergleich zu den all-trans-Isomeren aufweisen [6, 52, 57]. Im Hinblick auf die Stabilität überragt jedoch all-trans-Lycopin die meisten seiner cis-Isomere (höchste Stabilität: 5-cis ≥ all-trans ≥ 9-cis ≥ 13-cis > 15-cis > 7-cis- > 11-cis: geringste Stabilität) [9]. 

Von den rund 700 identifizierten Carotinoiden sind etwa 60 durch den menschlichen Stoffwechsel in Vitamin A (Retinol) umwandelbar und besitzen somit Provitamin A-Aktivität. Aufgrund seiner acyclischen Struktur gehört Lycopin nicht zu den Provitaminen A [4, 6, 22, 28, 54, 56-58].

Synthese

All-trans-Lycopin wird von allen zur Photosynthese befähigten Pflanzen, Algen und Bakterien sowie von Pilzen synthetisiert (gebildet) [6, 22, 28, 50]. Ausgangssubstanz für die Lycopin-Biosynthese ist Mevalonsäure (verzweigtkettige, gesättigte Hydroxyfettsäure; C6H12O4), die entsprechend dem Mevalonatweg (Stoffwechselweg, über den, von Acetyl-Coenzym A ausgehend, die Biosynthese von Isoprenoiden erfolgt – zum Aufbau von Steroiden und Sekundärmetaboliten) über Mevalonat-5-Phosphat, Mevalonat-5-Pyrophosphat und Isopentenyl-5-Pyrophosphat (IPP) zu Dimethylallylpyrophosphat (DMAPP; C5H12O7P2) umgewandelt wird. DMAPP kondensiert mit drei Molekülen seines Isomers IPP (C5H12O7P2), woraus Geranylgeranylpyrophosphat (GGPP; C20H36O7P2) hervorgeht. Die Kondensation zweier Moleküle GGPP führt zur Synthese von Phytoen (C40H64), einer zentralen Substanz in der Carotinoidbiosynthese. Infolge mehrerer Desaturierungen (Einfügung von Doppelbindungen, wodurch aus einer gesättigten eine ungesättigte Verbindung wird) wird Phytoen zu all-trans-Lycopin überführt. Lycopin ist Ausgangssubstanz aller anderen Carotinoide. So kommt es durch Cyclisierung (Ringschluss) der zwei terminalen Isoprengruppen von Lycopin zur Biosynthese von Beta-Carotin, das durch Hydroxylierung (Reaktion unter Abspaltung von Wasser) zu den sauerstoffhaltigen Xanthophyllen transformiert (umgewandelt) werden kann [2, 11, 21, 44].

In den Zellen des pflanzlichen Organismus ist all-trans-Lycopin innerhalb von Membranen, in Lipidtropfen oder als Kristall im Zytoplasma lokalisiert. Zudem wird es in die Chromoplasten (durch Carotinoide orange, gelb und rötlich gefärbten Plastiden in Blütenblättern, Früchten oder Speicherorganen (Karotten) von Pflanzen) und Chloroplasten (Organellen der Zellen von Grünalgen und höheren Pflanzen, die Photosynthese betreiben) – eingebunden in eine komplexe Matrix aus Proteinen, Lipiden und/oder Kohlenhydraten – eingelagert [4, 25, 28, 44, 50, 54]. Während das Carotin in den Chromoplasten der Blütenblätter und Früchte der Anlockung von Tieren – für die Pollenübertragung und Samenverteilung – dient, bietet es in den Chloroplasten der Pflanzenblätter als Bestandteil der Lichtsammelkomplexe Schutz vor photooxidativen Schäden. Der antioxidative Schutz wird durch sogenanntes Quenching (Entgiftung, Inaktivierung) reaktiver Sauerstoffverbindungen (1O2, Singulettsauerstoff) erreicht, wobei Lycopin Strahlungsenergie über den Triplettzustand direkt absorbiert (aufnimmt) und über Wärmeabgabe deaktiviert. Da die Fähigkeit zum Quenching mit der Anzahl der Doppelbindungen steigt, besitzt Lycopin mit seinen 13 Doppelbindungen im Vergleich zu anderen Carotinoiden die höchste Quenching-Aktivität [4, 12, 15, 23, 28, 35, 40, 44, 50, 54].

Im Vergleich zu Lutein ist Lycopin in der Pflanzen- und Tierwelt weitaus weniger verbreitet. Der rote Pigmentfarbstoff lässt sich vereinzelt in einigen Schwämmen (Porifera; im Wasser lebender Tierstamm innerhalb der Gewebelosen), Insekten und phototrophen Bakterien (Bakterien, die in der Lage sind, Licht als Energiequelle zu nutzen) nachweisen. Hauptsächliche Lycopinlieferanten sind reife Früchte und Gemüse, wie Tomaten (0,9-4,2 mg/100 g) und Tomatenprodukte, rote Grapefruit (~ 3,4 mg/100 g), Guave (~ 5,4 mg/100 g), Wassermelone (2,3-7,2 mg/100 g), Papaya (~ 3,7 mg/100 g), Hagebutte und bestimmte Olivenarten, beispielsweise die Steinfrüchte der Korallen-Ölweide Elaeagnus umbellata. Dabei unterliegen die Lycopingehalte je nach Sorte, Jahreszeit, Reifegrad, Standort-, Wachstums-, Ernte- und Lagerbedingungen beträchtlichen Schwankungen und können in den unterschiedlichen Teilen der Pflanze stark variieren [4, 6, 22, 28, 32, 35, 36, 50, 54, 58, 61]. In Tomaten und Tomatenprodukten ist Lycopin etwa 9-fach höher konzentriert als Beta-Carotin. Rund 80-85 % des über die Nahrung aufgenommenen Lycopins sind auf den Verzehr von Tomaten und Tomatenprodukten, wie Tomatenmark, Ketchup, Tomatensauce und Tomatensaft, zurückzuführen [10, 21, 40, 51, 54].

Die starke Lipophilie (Fettlöslichkeit) von Lycopin ist Ursache dafür, dass das Carotin im wässrigen Milieu nicht gelöst werden kann, wodurch es schnell aggregiert und auskristallisiert. Somit liegt Lycopin in frischen Tomaten im kristallinen Zustand vor und ist von einer festen, schwer resorbierbaren Cellulose- und/oder Proteinmatrix umschlossen. Lebensmittelverarbeitende Prozesse, wie mechanische Zerkleinerung und thermische Behandlung, führen zur Freisetzung des Lycopins aus der Nahrungsmatrix und zum Anstieg der Bioverfügbarkeit [4, 5, 41, 54, 60]. Die Hitzeeinwirkung sollte jedoch nicht zu lang und nicht zu stark erfolgen, da es sonst durch Oxidation, Cyclisierung (Ringschluss) und/oder cis-Isomerisierung des all-trans-Lycopins zu Aktivitätsverlusten von mehr als 30 % kommen kann [30]. Aus Gründen der höheren Bioverfügbarkeit und Konzentrierung des Lycopins weisen Tomatenprodukte, wie Tomatenmark, Tomatensauce, Ketchup und Tomatensaft, einen deutlich höheren Lycopingehalt auf als frische Tomaten [4, 5, 54, 60].

Für den Einsatz in der Lebensmittelindustrie wird Lycopin sowohl synthetisch hergestellt als auch aus Tomatenkonzentraten mittels organischer Lösungsmittel extrahiert. Es findet als Lebensmittelfarbstoff (E 160d) Anwendung und ist somit farbgebender Bestandteil unter anderem von Suppen, Saucen, aromatisierten Getränken, Desserts, Gewürzen, Süß- und Backwaren [1]. Des Weiteren stellt Lycopin einen wichtigen Vorläufer von Aromastoffen dar. Es wird durch Cooxidation mit Hilfe von Lipoxygenasen, durch das Reagieren mit reaktiven Sauerstoffverbindungen und unter thermischer Belastung gespalten, wodurch Carbonylverbindungen mit niedriger Geruchsschwelle entstehen. Diese Abbauprodukte spielen bei der Verarbeitung von Tomaten und Tomatenprodukten eine wesentliche Rolle [67].

Resorption

Durch die ausgeprägte Lipophilie (Fettlöslichkeit) wird Lycopin im Rahmen der Fettverdauung im oberen Dünndarm resorbiert (aufgenommen). Dies macht die Anwesenheit von Nahrungsfetten (3-5 g/Mahlzeit) als Transportmittel, von Gallensäuren zur Solubilisierung und Micellenbildung und von Esterasen (Verdauungsenzymen) zur Spaltung von verestertem Lycopin notwendig [4, 5, 22, 28, 44, 50, 54, 63, 68].

Nach Freisetzung aus der Nahrungsmatrix vereint sich Lycopin im Dünndarmlumen mit anderen lipophilen Substanzen und Gallensäuren zu gemischten Micellen (kugelförmige Gebilde mit 3-10 nm Durchmesser, in denen die Lipidmoleküle so angeordnet sind, dass die wasserlöslichen Molekülanteile nach außen und die wasserunslöslichen Molekülanteile nach innen gekehrt sind) – Micellarphase zur Solubilisierung (Erhöhung der Löslichkeit) der Lipide –, die über einen passiven Diffusionsprozess in die Enterozyten (Zellen des Dünndarmepithels) des Duodenums (Zwölffingerdarm) und Jejunums (Leerdarm) aufgenommen werden [3, 4, 15, 22, 28, 46, 50, 54, 68]. Es existieren Hinweise darauf, dass an der intestinalen Absorption von Lycopin und anderen Carotinoiden ein spezifischer epithelialer Transporter beteiligt ist, der sättigbar ist und deren Aktivität von der Carotinoidkonzentration abhängt [13].

Die Absorptionsrate von Lycopin aus pflanzlichen Lebensmitteln ist intra- und interindividuell sehr unterschiedlich und beträgt je nach Anteil gleichzeitig zugeführter Fette zwischen 30 und 60 % [3-5, 22, 50, 54, 57].

Im Hinblick auf ihren fördernden Einfluss auf die Lycopin-Absorption sind gesättigte Fettsäuren weitaus effektiver als mehrfach ungesättigte Fettsäuren (Polyenfettsäuren, PFS), was wie folgt begründet werden kann [15]:

  • PFS erhöhen die Größe gemischter Micellen, wodurch die Diffusionsgeschwindigkeit sinkt
  • PFS verändern die Ladung der micellaren Oberfläche und setzen somit die Affinität (Bindungsstärke) zu den Enterozyten (Zellen des Dünndarmepithels) herab
  • PFS (Omega-3- und -6-Fettsäuren) beanspruchen in Lipoproteinen (Aggregate aus Lipiden und Proteinen – micellenähnliche Partikel –, die dem Transport lipophiler Substanzen im Blut dienen) mehr Raum als gesättigte Fettsäuren und begrenzen somit den Raum für andere lipophile Moleküle, darunter Lycopin
  • PFS, vor allem Omega-3-Fettsäuren, hemmen die Lipoproteinsynthese

Die Bioverfügbarkeit von Lycopin ist neben der Fettzufuhr auch von folgenden endogenen und exogenen Faktoren abhängig [4, 5, 8, 14, 15, 22, 28, 29, 40, 46-48, 54, 62, 63, 68]:

  • Menge an alimentär (über die Nahrung) zugeführtem Lycopin – mit steigender Dosis nimmt die relative Bioverfügbarkeit des Carotinoids ab
  • Isomere Form – Lycopin wird im Gegensatz zu anderen Carotinoiden, wie Beta-Carotin, in seiner cis-Konfiguration besser resorbiert als in seiner all-trans-Form; Hitzebehandlung, wie Kochen, fördert die Umwandlung von all-trans- zu cis-Lycopin [4, 6, 30]
  • Nahrungsquelle – aus Supplementen (isoliertes, gereinigtes Lycopin in öliger Lösung – frei vorliegend oder mit Fettsäuren verestert) ist das Carotinoid besser verfügbar als aus pflanzlichen Lebensmitteln (natives, komplexgebundenes Lycopin), was sich in einem deutlich höheren Anstieg des Lycopin-Serumspiegels nach Einnahme von Supplementen gegenüber der Aufnahme gleicher Mengen aus Obst und Gemüse äußert [63, 68]
  • Lebensmittelmatrix, in die Lycopin eingebunden ist – aus Tomatenprodukten, wie Tomatensuppe und Tomatenmark, wird Lycopin deutlich besser resorbiert als aus rohen Tomaten, da durch die Verarbeitung (mechanische Zerkleinerung, Hitzebehandlung etc.) pflanzliche Zellstrukturen aufgebrochen, die Bindungen des Lycopins zu Proteinen und Ballaststoffen gespalten und kristalline Carotinoidaggregate gelöst werden; das Vermengen tomatenhaltiger Speisen mit Öl erhöht die Bioverfügbarkeit von Lycopin zusätzlich [5, 16, 54, 57, 63, 68]
  • Interaktionen mit anderen Nahrungsmittelinhaltsstoffen:
    • Ballaststoffe, wie Pektine aus Früchten, setzen die Bioverfügbarkeit von Lycopin herab, indem diese schwerlösliche Komplexe mit dem Carotinoid bilden
    • Olestra (synthetischer Fettersatzstoff, bestehend aus Estern von Saccharose und langkettigen Fettsäuren (→ Saccharosepolyester), der von den körpereigenen Lipasen (fettspaltende Enzyme) aufgrund sterischer Hinderung nicht gespalten werden kann und unverändert ausgeschieden wird) reduziert die Lycopin-Resorption [15, 39]; nach Koonsvitsky et al (1997) resultiert aus einer täglichen Zufuhr von 18 g Olestra über einen Zeitraum von 3 Wochen ein Abfall des Carotinoid-Serumspiegels um 27 % [34]; nach Thornquist et al (2000) ist bereits nach geringen Aufnahmemengen von Olestra (2 g/Tag) eine Senkung des Carotinoid-Serumspiegels (um 15 %) zu verzeichnen [59]
    • Phytosterine und -stanole (in fettreichen Pflanzenteilen, wie Samen, Keime und Kerne, vorkommende chemische Verbindungen aus der Klasse der Sterine, die der Struktur des Cholesterins sehr ähnlich sind und deren Absorption kompetitiv hemmen) können die intestinale Aufnahme von Lycopin beeinträchtigen; so kann die regelmäßige Verwendung von phytosterolhaltigen Brotaufstrichen, wie Margarine, zu einem mäßig erniedrigten (um 10-20 %) Carotinoid-Serumspiegel führen [29, 66]; durch eine gleichzeitig erhöhte tägliche Zufuhr carotinoidreicher Obst- und Gemüsesorten lässt sich eine Reduktion der Carotinoidkonzentration im Serum durch den Verzehr phytosterolhaltiger Margarine verhindern [41, 42]
    • Die Aufnahme von Carotinoidgemischen, wie Lycopin, Beta-Carotin, Cryptoxanthin, Zeaxanthin und Lutein, kann die intestinale Lycopin-Aufnahme – auf Ebene der Inkorporation (Aufnahme) in die gemischten Micellen im Darmlumen, der Enterozyten während des intrazellulären (innerhalb der Zelle) Transports und des Einbaus in Lipoproteine – sowohl hemmen als auch fördern, wobei starke interindividuelle Unterschiede auftreten [14, 54, 62] 
      • Nach Olsen (1994) führt die Verabreichung hoher pharmakologischer Beta-Carotin-Dosen zu einer verminderten Lycopinabsorption und einem Abfall des Lycopin-Serumspiegels – vermutlich aufgrund von kinetischen Verdrängungsvorgängen entlang der intestinalen Mukosa (Darmschleimhaut) [43]; dabei scheint die bevorzugte Monosupplementierung hoher Dosen von Beta-Carotin die intestinale Aufnahme insbesondere solcher Carotinoide zu hemmen, die ein höheres protektives Potential als Beta-Carotin besitzen, wie Lycopin, Zeaxanthin und Lutein [45], und im Serum in signifikanten Mengen vorliegen [43]
      • Gaziano et al (1995) wiesen nach sechstägiger Einnahme von 100 mg synthetischem und natürlichem Beta-Carotin eine Senkung des Lycopingehalts in den Lipoproteinen, vor allem in der LDL (low density lipoproteins; cholesterinreiche Lipoproteine geringer Dichte)-Fraktion, nach [17]
      • Wahlquist et al (1994) konnten bei täglicher Gabe von 20 mg Beta-Carotin über einen Zeitraum von einem Jahr eine Erhöhung der Lycopin-Serumkonzentration feststellen [64]
      • Gossage et al (2000) supplementierten stillende und nicht stillende Frauen im Alter von 19-39 Jahren mit jeweils 30 mg Beta-Carotin für 28 Tage mit dem Ergebnis, dass die Lycopin-Serumkonzentration unbeeinflusst blieb, während der Alpha- und Beta-Carotin-Serumspiegel stieg und der Luteingehalt im Serum signifikant vermindert wurde [19]
    • Proteine und Vitamin E steigern die Lycopin-Resorption
  • Individuelle Verdauungsleistung, wie mechanische Zerkleinerung im oberen Verdauungstrakt, pH-Wert des Magens, Gallenfluss – gründliches Kauen und ein niedriger pH-Wert des Magensaftes fördern den Zellaufschluss und die Freisetzung von gebundenem beziehungsweise verestertem Lycopin, was die Bioverfügbarkeit des Carotinoids erhöht; ein verminderter Gallenfluss senkt die Bioverfügbarkeit aufgrund der beeinträchten Micellenbildung
  • Versorgungsstatus des Organismus
  • Genetische Faktoren

Transport und Verteilung im Körper

In den Enterozyten (Zellen des Dünndarmepithels) des oberen Dünndarms wird Lycopin gemeinsam mit anderen Carotinoiden und lipophilen Substanzen, wie Triglyceride, Phospholipide und Cholesterin, in Chylomikronen (CM, lipidreiche Lipoproteine) eingebaut, die durch Exocytose (Stofftransport aus der Zelle) in die Zwischenräume der Enterozyten sezerniert (abgesondert) und über die Lymphe abtransportiert werden [4, 13, 15, 22, 28, 50, 54, 68]. Über den Truncus intestinalis (unpaarer Lymphsammelstamm der Bauchhöhle) und Ductus thoracicus (Lymphsammelstamm der Brusthöhle) gelangen die Chylomikronen in die Vena subclavia (Schlüsselbeinvene) beziehungsweise Vena jugularis (Halsader), die zur Vena brachiocephalica (linke Seite) zusammenfließen – Angulus venosus (Venenwinkel). Die Venae brachiocephalicae beider Seiten vereinen sich zur unpaaren Vena cava superior (obere Hohlvene), die in den rechten Herzvorhof (Atrium cordis dextrum) mündet. Durch die Pumpkraft des Herzens werden die Chylomikronen in den peripheren Blutkreislauf eingebracht [38, 54].

Chylomikronen haben eine Halbwertszeit (Zeit, in der sich ein exponentiell mit der Zeit abnehmender Wert halbiert hat) von etwa 30 Minuten und werden während des Transports zur Leber zu Chylomikronen-Remnants (CM-R, fettarme Chylomikronen-Restpartikel) abgebaut. In diesem Zusammenhang spielt die Lipoproteinlipase (LPL) eine entscheidende Rolle, die sich auf der Oberfläche von Endothelzellen (Zellen, welche die Innenseite der Blutgefäße auskleiden) der Blutkapillaren befindet und durch Lipidspaltung zur Aufnahme freier Fettsäuren und geringer Mengen an Lycopin in verschiedene Gewebe, zum Beispiel Muskel-, Fettgewebe und Milchdrüse, führt. Der überwiegende Teil des Lycopins verbleibt jedoch in den CM-R, die an spezifische Rezeptoren der Leber binden und mittels rezeptorvermittelter Endozytose (Einstülpungsvorgang der Zellmembran → Abschnürung CM-R-haltiger Vesikel (Zellorganellen) ins Zellinnere) in die Parenchymzellen der Leber aufgenommen werden. In den Leberzellen wird Lycopin teilweise gespeichert, ein anderer Teil wird in VLDL (very low density lipoproteins; lipidhaltige Lipoproteine sehr geringer Dichte) eingelagert, durch die das Carotinoid über den Blutkreislauf zu extrahepatischen ("außerhalb der Leber") Geweben gelangt [15, 22, 28]. Indem im Blut zirkulierendes VLDL an periphere Zellen bindet, werden die Lipide durch Einwirkung der LPL gespalten und die dabei freiwerdenden lipophilen Substanzen, darunter Lycopin, durch passive Diffusion internalisiert (nach innen aufgenommen). Daraus resultiert der Katabolismus von VLDL zu IDL (intermediate density lipoproteins). IDL-Partikel können entweder von der Leber rezeptorvermittelt aufgenommen und dort abgebaut oder im Blutplasma durch eine Triglyceridlipase (fettspaltendes Enzym) zum cholesterinreichen LDL (low density lipoproteins; cholesterinreiche Lipoproteine geringer Dichte) metabolisiert (verstoffwechselt) werden. An LDL gebundenes Lycopin wird einerseits über rezeptorvermittelte Endozytose in Leber und extrahepatische Gewebe aufgenommen und andererseits auf HDL (high density lipoproteins; proteinreiche Lipoproteine hoher Dichte) übertragen, die am Transport von Lycopin und anderen lipophilen Molekülen, vor allem Cholesterin, aus peripheren Zellen zurück zur Leber beteiligt sind [15, 22, 28, 50, 54].

In den menschlichen Geweben und Organen findet sich ein komplexes Gemisch von Carotinoiden, das sowohl qualitativ (Muster der Carotinoide) als auch quantitativ (Konzentration der Carotinoide) starken individuellen Schwankungen unterworfen ist [4, 31, 56]. Lycopin und Beta-Carotin sind die meist vorkommenden Carotinoide im Blut und Gewebe. Während in den Nebennieren, Testes (Hoden), Prostata und Leber Lycopin dominiert, weisen Lungen und Nieren etwa gleiche Mengen an Lycopin und Beta-Carotin auf. Da Lycopin ausgesprochen lipophil (fettlöslich) ist, ist es auch im Fettgewebe (~ 1 nmol/g Feuchtgewicht) und in der Haut lokalisiert, jedoch in geringerer Konzentration als beispielsweise in Testes (Hoden) und Nebennieren (bis zu 20 nmol/g Feuchtgewicht) [4, 15, 22, 28, 40, 50, 54, 56-58]. In den Zellen der einzelnen Gewebe und Organe ist Lycopin insbesondere Bestandteil der Zellmembranen und beeinflusst deren Dicke, Stärke, Fluidität, Permeabilität (Durchlässigkeit) sowie Effektivität [6, 21, 37, 44]. Da Lycopin im Vergleich zu anderen Carotinoiden das größte antioxidative Potential besitzt und bevorzugt im Prostatagewebe eingelagert wird, gilt es als der Faktor mit der höchsten Effektivität im Hinblick auf die Prävention des Prostatakarzinoms [18, 24, 32, 50, 69].

Im Blut wird Lycopin durch Lipoproteine transportiert, die sich aus lipophilen Molekülen und Apolipoproteinen (Proteinanteil, Funktion als strukturelles Gerüst und/oder Erkennungs- und Andockmolekül, beispielsweise für Membranrezeptoren), wie Apo A-I, B-48, C-II, D und E, zusammensetzen. Das Carotinoid ist zu 75-80 % an LDL, zu 10-25 % an HDL und zu 5-10 % an VLDL gebunden [15, 22, 44, 46, 50, 54, 55, 58]. In Abhängigkeit der Ernährungsgewohnheiten liegt die Lycopin-Serumkonzentration bei etwa 0,05-1,05 µmol/l und variiert je nach Geschlecht, Alter, Gesundheitszustand, Gesamtkörperfettmasse sowie Höhe des Alkohol- und Tabakkonsums [7, 26, 50, 54, 58].

Im menschlichen Serum und in der Muttermilch wurden von den rund 700 bekannten Carotinoiden bisher 34, einschließlich 13 geometrischer all-trans-Isomere, identifiziert [7, 31, 49, 54, 65]. Dabei konnten neben Lycopin die Carotine Alpha- und Beta-Carotin und die Xanthophylle Lutein, Zeaxanthin und Cryptoxanthin, am häufigsten nachgewiesen werden [15, 40, 49, 65].

Ausscheidung

Nicht resorbiertes Lycopin verlässt den Körper mit den Fäzes (Stuhl), während intestinal (über den Darm) aufgenommenes Lycopin in Form seiner Metabolite über den Urin eliminiert wird [15, 54]. Der endogene Abbau von Lycopin erfolgt durch die Beta-Carotin-Dioxygenase 2 (BCDO2) [33], die das Carotin zu Pseudojonon, Geranial und 2-Methyl-2-hepten-6-on spaltet [27]. Um die Abbauprodukte des Lycopins in eine ausscheidbare Form zu überführen, werden diese – wie alle lipophilen (fettlöslichen) Substanzen – der Biotransformation unterzogen [15, 22, 50]. Die Biotransformation findet in vielen Geweben, vor allem in der Leber, statt und kann in zwei Phasen unterteilt werden [22, 50]:

  • In Phase I werden die Metabolite (Zwischenprodukte) des Lycopins zur Erhöhung der Löslichkeit durch das Cytochrom-P-450-System hydroxyliert (Einfügen einer OH-Gruppe)
  • In Phase II erfolgt die Konjugation mit stark hydrophilen (wasserlöslichen) Stoffen – dazu wird mit Hilfe der Glucuronyltransferase Glucuronsäure auf die zuvor eingefügte OH-Gruppe der Metabolite übertragen

Nach einmaliger Gabe beträgt die Verweildauer der Carotinoide im Körper zwischen 5-10 Tagen [50, 54].

Des Weiteren wurden die folgenden Fachbücher für die Verfassung dieses Artikels herangezogen [70, 71].

Literatur

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