Vitamin K – Definition, Synthese, Resorption, Transport und Verteilung
Vitamin K wird aufgrund seiner antihämorrhagischen (blutungsstillenden) Wirkung, die im Jahre 1929 von dem Physiologen und Biochemiker Carl Peter Henrik Dam auf Basis von Blutgerinnungsstudien entdeckt worden ist, als Koagulationsvitamin bezeichnet. Vitamin K ist keine einheitliche Substanz, sondern kommt in drei strukturellen Varianten vor [3, 4, 11, 15, 17].
Folgende Substanzen der Vitamin K-Gruppe sind zu unterscheiden:
- Vitamin K1 – Phyllochinon – in der Natur vorkommend
- Vitamin K2 – Menachinon (MK-n) – in der Natur vorkommend
- Vitamin K3 – 2-Methyl-1,4-naphthochinon, Menadion – synthetisches Produkt
- Vitamin K4 – 2-Methyl-1,4-naphthohydrochinon, Menadiol – synthetisches Produkt
Allen Vitamin K-Varianten ist gemein, dass sie sich vom 2-Methyl-1,4-naphthochinon ableiten. Der wesentliche strukturelle Unterschied beruht auf der Seitenkette in C3-Stellung [9, 10, 15, 17].
Während die lipophile (fettlösliche) Seitenkette bei Vitamin K1 eine ungesättigte (mit Doppelbindung) und drei gesättigte (ohne Doppelbindung) Isopreneinheiten aufweist, besitzt Vitamin K2 eine Seitenkette mit variierenden, meist 6-10 Isoprenmolekülen [1, 15]. Vitamin K3, sein wasserlösliches Derivat Menadionnatriumhydrogensulfit und Vitamin K4 – Menadioldiester, wie Menadioldibutyrat – weisen als synthetische Produkte keine Seitenkette auf. Im Organismus kommt es jedoch zur kovalenten Anheftung von vier Isopreneinheiten an die C3-Position des chinoiden Rings [15].
Die Methylgruppe am chinoiden Ring in C2-Stellung ist für die spezifische biologische Wirksamkeit von Vitamin K verantwortlich. Die Seitenkette in der C3-Position bestimmt hingegen die Lipidlöslichkeit und beeinflusst damit die Resorption (Aufnahme über den Darm) [4, 15].
Nach bisherigen Erfahrungen sind etwa 100 Chinone mit Vitamin K-Wirkung bekannt. Von praktischer Bedeutung sind jedoch nur die natürlich vorkommenden Vitamine K1 und K2, da Vitamin K3 und andere Naphthochinone nachteilige, zum Teil toxische (giftige) Effekte entfalten können [2-4, 9-12, 14, 17].
Synthese
Während Phyllochinon (Vitamin K1) in den Chloroplasten (zur Photosynthese befähigten Zellorganellen) grüner Pflanzen synthetisiert (gebildet) wird und dort am Photosyntheseprozess beteiligt ist, erfolgt die Biosynthese von Menachinon (Vitamin K2) durch verschiedene Darmbakterien, wie Escherichia coli und Lactobacillus acidophilus, die im terminalen Ileum (unteren Dünndarmabschnitt) beziehungsweise Colon (Dickdarm) vorkommen [3, 4, 9, 10, 12, 17].
Im menschlichen Darm kann bis zu 50 % Menachinon synthetisiert werden – jedoch nur, solange eine physiologische Darmflora gegeben ist. Darmresektionen (operative Entfernung des Darms), chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED; engl.: inflammatory bowel disease, IBD), Zöliakie und andere intestinale Erkrankungen sowie die Therapie mit Antibiotika, wie Cephalosporine, Ampicillin und Tetracycline, können die Menachinon-Synthese erheblich beeinträchtigen [12, 15, 17]. Ebenso kann eine Umstellung der Ernährung durch Änderung der Darmflora Einfluss auf die intestinale Vitamin K2-Synthese nehmen [12].
Inwiefern das bakteriell synthetisierte Vitamin K2 zur Bedarfsdeckung beiträgt, wird kontrovers diskutiert. Da laut experimenteller Erfahrungen die Resorptionsrate von Menachinon eher niedrig ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Syntheseleistung der Darmbakterien nur einen geringen Beitrag zur Vitamin K-Versorgung leistet [4, 5, 10, 11, 20, 21]. Die Beobachtung, dass sich bei Probanden nach fünfwöchiger Vitamin K-freier Ernährung keine Vitamin K-Mangelerscheinungen fanden, diese jedoch bei gleichzeitiger Gabe von Antibiotika bereits nach 3-4 Wochen auftraten, stützt die Annahme, dass enteral (über den Darm) synthetisiertes Vitamin K für die Bedarfsdeckung durchaus von Bedeutung ist [12].
Resorption
Zwischen den einzelnen Substanzen der Vitamin K-Gruppe gibt es bezüglich der Resorption große Unterschiede.
Über die Nahrung wird hauptsächlich Phyllochinon aufgenommen. Alimentär (mit der Nahrung) zugeführtes oder bakteriell synthetisiertes Menachinon spielt bei der Vitamin K-Versorgung eine untergeordnete Rolle. Wie alle fettlöslichen Vitamine werden auch die Vitamine K1 und K2 im Rahmen der Fettverdauung resorbiert (aufgenommen), d.h. die Anwesenheit von Nahrungsfetten als Transportmittel der lipophilen Moleküle, Gallensäuren zur Solubilisierung (Erhöhung der Löslichkeit) und Micellenbildung (Bildung von Transportkügelchen, welche fettlösliche Substanzen in wässriger Lösung transportierbar machen) und Pankreaslipasen (Verdauungsenzymen aus der Bauchspeicheldrüse) zur Spaltung von gebundenem beziehungsweise verestertem Vitamin K ist für eine optimale intestinale Aufnahme (Aufnahme über den Darm) notwendig.
Die Vitamine K1 und K2 gelangen als Bestandteil der gemischten Micellen an die apikale (dem Darminneren zugewandte) Membran der Enterozyten (Epithelzellen) des Jejunums (Leerdarms) – alimentär zugeführtes Phyllo- und Menachinon – beziehungsweise terminalen Ileums (unteren Dünndarms) – bakteriell synthetisiertes Menachinon – und werden internalisiert (nach innen aufgenommen). In der Zelle kommt es zur Inkorporation (Aufnahme) der Vitamine K1 und K2 in Chylomikronen (fettreiche Lipoproteine), die die lipophilen Vitamine über die Lymphe in den peripheren Blutkreislauf transportieren [3, 4, 15, 17].
Während alimentär (durch die Nahrung) zugeführtes Vitamin K1 und K2 nach einer Sättigungskinetik über einen energieabhängigen aktiven Transport resorbiert werden, erfolgt die Absorption von bakteriell synthetisiertem Vitamin K2 mittels passiver Diffusion [11, 15, 17].
Vitamin K1 wird beim Erwachsenen rasch mit einer Resorptionsquote zwischen 20 und 80 % intestinal (über den Darm) aufgenommen. Beim Neugeborenen beträgt die Absorptionsrate von Phyllochinon aufgrund der physiologischen Steatorrhoe (Fettstuhl) nur etwa 30 % [4, 7, 8, 11, 15, 19].
Die Bioverfügbarkeit der lipophilen Vitamine K1 und K2 ist vom pH-Wert im Darm, von Art und Menge der vorhandenen Nahrungsfette sowie der Anwesenheit von Gallensäuren und Lipasen aus dem Pankreas (Verdauungsenzymen aus der Bauchspeicheldrüse) abhängig. Ein niedriger pH-Wert und kurz- oder mittelkettige, gesättigte Fettsäuren steigern, eine hoher pH-Wert sowie langkettige, mehrfach ungesättigte Fettsäuren hemmen die Resorption von Phyllo- und Menachinon [15, 17].
Da im distalen Ileum (unteren Dünndarmabschnitt) und im Colon (Dickdarm), wo die Vitamin K2-synthetisierenden Bakterien vorkommen, die für die Resorption erforderlichen Nahrungsfette und Gallensäuren nur noch im begrenzten Umfang verfügbar sind, wird bakterielles Menachinon im Vergleich zum Phyllochinon zu einem deutlich geringeren Teil resorbiert [5, 11, 20, 21].
Die synthetischen Vitamine K3 und K4 und deren wasserlöslichen Derivate (Abkömmlinge) werden aufgrund ihrer Hydrophilie (Wasserlöslichkeit) unabhängig von Nahrungsfetten, Gallensäuren und Pankreaslipasen (Verdauungsenzymen aus der Bauchspeicheldrüse) sowohl im Dünndarm als auch im Colon (Dickdarm) passiv resorbiert und direkt in die Blutbahn abgegeben [11, 15, 17].
Transport und Verteilung im Körper
Während des Transports zur Leber werden freie Fettsäuren (FFS) und Monoglyceride aus den Chylomikronen unter Einwirkung der Lipoproteinlipase (LPL), die sich auf Zelloberflächen befindet und Triglyceride spaltet, an periphere Gewebe abgegeben. Durch diesen Vorgang werden die Chylomikronen zu Chylomikronen-Remnants (fettarmen Chylomikronen-Restpartikeln) abgebaut, die, vermittelt durch Apolipoprotein E (ApoE), an spezifische Rezeptoren (Bindungsstellen) der Leber binden. Die Aufnahme der Vitamine K1 und K2 in die Leber erfolgt mittels rezeptorvermittelter Endozytose.
Phyllo- und Menachinon werden zum Teil in der Leber angereichert und teilweise in den hepatisch (in der Leber) synthetisierten VLDL (very low density lipoproteins; fetthaltige Lipoproteine sehr geringer Dichte) eingelagert [3, 4, 15, 17].
Nach Abgabe der VLDL in den Blutkreislauf werden auch die resorbierten Vitamine K3 und K4 an VLDL gebunden und zu extrahepatischen (außerhalb der Leber gelegenen) Geweben transportiert. Zielorgane sind unter anderem Niere, Nebenniere, Lunge, Knochenmark und Lymphknoten. Die Aufnahme von Vitamin K durch die Zielzellen erfolgt durch Aktivität der Lipoproteinlipase (LPL) [3, 4, 15, 17].
Bisher noch ungeklärt ist die Rolle eines spezifischen Menachinons (MK-4), das durch Darmbakterien synthetisiert wird und im Organismus aus Phyllochinon und Menadion hervorgeht. In Pankreas (Bauchspeicheldrüse), Speicheldrüsen, Gehirn und Sternum (Brustbein) konnte eine höhere Konzentration an MK-4 festgestellt werden als an Phyllochinon [15].
Die Phyllochinonkonzentration im Blutplasma wird sowohl durch den Gehalt an Triglyceriden als auch den Polymorphismus von ApoE beeinflusst [15].
Eine gesteigerte Triglycerid-Serumkonzentration geht mit einem erhöhten Phyllochinonspiegel einher, was mit zunehmendem Alter vermehrt beobachtet wird. Erwachsene ≥ 60 Jahre weisen jedoch meist einen schlechten Vitamin K-Status auf, was sich durch ein niedriges Phyllochinon:Triglycerid-Verhältnis im Vergleich zu jungen Erwachsenen äußert [13, 16].
Ein Polymorphismus von ApoE (Lipoprotein der Chylomikronen) führt zu strukturellen Veränderungen des Proteins, wodurch die Chylomikronen-Remnants (fettarmen Chylomikronen-Restpartikel) nicht mehr an hepatische Rezeptoren binden können. In der Folge steigt neben der Lipid- auch die Phyllochinonkonzentration im Blut an, was fälschlicherweise auf eine gute Versorgung mit Vitamin K schließen lässt [3, 15].
Speicherung
Die natürlich vorkommenden Vitamine K1 und K2 werden vorwiegend in der Leber angereichert, gefolgt von Nebenniere, Niere, Lunge, Knochenmark und Lymphknoten. Da Vitamin K einem raschen Turnover (Umsatz) – etwa 24 Stunden – unterliegt, kann die Speicherfähigkeit der Leber einen Vitaminmangel nur für etwa 1-2 Wochen überbrücken [6, 7, 15].
Vitamin K3 ist nur zu einem geringen Teil in der Leber vorhanden, verteilt sich im Vergleich zum natürlichen Phyllo- und Menachinon schneller im Organismus und wird rascher metabolisiert (verstoffwechselt) [15].
Der Gesamtkörperpool an Vitamin K ist klein und beträgt zwischen 70-100 µg beziehungsweise 155-200 nmol [6, 7].
Studien zur Bioverfügbarkeit von Phyllo- und Menachinon mit gesunden Männern haben ergeben, dass nach alimentärer Zufuhr ähnlicher Mengen Vitamin K1 und K2 die Konzentration des zirkulierenden Menachinons die des Phyllochinons um mehr als das 10-fache überstieg [18]. Ursache dafür ist einerseits die relativ niedrige Bioverfügbarkeit von Phyllochinon aus Lebensmitteln – 2-5-fach niedriger als bei Vitamin K-Supplementen – aufgrund der schwachen Bindung gegenüber den Pflanzenchloroplasten und der geringen enteralen Freisetzung aus der Nahrungsmatrix. Andererseits weist Menachinon eine längere Halbwertszeit auf als Phyllochinon, weshalb Vitamin K2 für extrahepatische Gewebe, wie die Knochen, für eine längere Zeit verfügbar ist [7, 8, 12, 15, 18, 19].
Ausscheidung
Die Vitamine K1 und K2 werden nach Glucuronidierung zu über 50 % über die Galle mit den Fäzes (Stuhl) und zu etwa 20 % nach Verkürzung der Seitenkette durch beta-Oxidation (oxidativer Abbau von Fettsäuren) in Form von Glucuroniden renal (über die Niere) ausgeschieden [3, 4, 15].
Parallel zu Phyllo- und Menachinon wird auch Vitamin K3 durch den Prozess der Biotransformation in eine ausscheidungsfähige Form überführt.
Die Biotransformation findet in vielen Geweben, vor allem in der Leber, statt und kann in zwei Phasen unterteilt werden:
- In Phase I wird Vitamin K zur Erhöhung der Löslichkeit durch das Cytochrom-P-450-System hydroxyliert (Einfügen einer OH-Gruppe)
- In Phase II erfolgt die Konjugation mit stark hydrophilen (wasserlöslichen) Stoffen – dazu wird mit Hilfe der Glucuronyltransferase Glucuronsäure beziehungsweise mittels der Sulfotransferase eine Sulfatgruppe auf die zuvor eingefügte OH-Gruppe von Vitamin K übertragen
Bisher konnten von den Metaboliten (Zwischenprodukten) und Ausscheidungsprodukten des Vitamin K3 nur das 2-Methyl-1,4-naphthohydrochinon-1,4-diglucuronid und das 2-Methyl-1,4-hydroxy-1-naphthylsulfat identifiziert werden, die im Gegensatz zu Vitamin K1 und K2 schnell und größtenteils mit dem Urin (~ 70 %) eliminiert werden. Die Mehrzahl der Metabolite des Menadions konnte bisher nicht charakterisiert werden [15, 17].
Des Weiteren wurden die folgenden Fachbücher für die Verfassung dieses Artikels herangezogen [22, 23].
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