Vitamin K – Funktionen
Vitamin K existiert in zwei Hauptformen: Vitamin K1 (Phyllochinon), vorwiegend in grünem Blattgemüse, und Vitamin K2 (Menachinon), das in fermentierten Lebensmitteln und tierischen Produkten vorkommt. Beide Varianten sind essenziell für zentrale biologische Prozesse, insbesondere für die Hämostase (Blutgerinnung) sowie den Knochenstoffwechsel und die Gefäßgesundheit. Dieser Artikel beleuchtet die multifunktionale Wirkung von Vitamin K, insbesondere die Mechanismen der Carboxylierung und deren Relevanz für die Gesundheit.
Cofaktor bei Carboxylierungsreaktionen
Vitamin K spielt als Cofaktor bei der Überführung von Gerinnungsproteinen in ihre gerinnungswirksamen Formen eine wesentliche Rolle. Dabei ist Vitamin K an der Carboxylierung – Reaktion zur Einführung einer Carboxylgruppe in eine organische Verbindung – spezifischer Glutaminsäurereste von Vitamin K-abhängigen Proteinen zu Gamma-Carboxyglutaminsäure (Gla)-Resten beteiligt. Das für diese Reaktion benötigte Enzym Carboxylase ist ebenfalls Vitamin-K-abhängig [1, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10]. Infolge der Carboxylierung der Glutamyl-Reste der Vitamin-K-abhängigen Proteine kommt es zur Bildung von:
- Proteinen der Hämostase (Blutstillung) – Blutgerinnungsfaktor II (Prothrombin), VII (Prokonvertin), IX (Christmas factor) und X (Stuart factor) sowie Plasmaprotein C und S [1, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10]
- Proteinen des Knochenstoffwechsels – Osteocalcin beziehungsweise Bone Gla Protein (BGP), Matrix Gla Protein (MGP) sowie Protein S [1, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10]
- Proteinen der Wachstumsregulation – Growth arrest-specific Gene 6 (Gas6) [3]
- Proteinen unbekannter Funktion – Prolinreiches Gla-Protein 1 (RGP1) und 2 (RGP2) sowie Protein Z – RGP1 und RGP2 spielen vermutlich in der Signalübertragung von Zellen eine Rolle [1, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10]
Des Weiteren werden weniger gut charakterisierte Proteine in der Niere (Nephrocalcin), Milz, Pankreas, Lunge und anderen Geweben synthetisiert [1, 5, 6, 7, 9]. Hauptsächlich ist die Funktion der Gerinnungsproteine und des Osteocalcins aufgeklärt. Die physiologische Bedeutung anderer calciumbindenden Proteine sind noch weitgehend unbekannt [1, 5, 6, 7].
Bei den genannten Carboxylierungsreaktionen ist zwischen den Wirkungen von Vitamin K1 (Phyllochinon) und Vitamin K2 (Menachinon) zu unterscheiden. Während Vitamin K1 primär für die Aktivierung der Blutgerinnungsfaktoren in der Leber verantwortlich ist, zeigt es eine vergleichsweise geringere Wirkung auf die Proteine des Knochenstoffwechsels. Vitamin K2 ist wiederum wesentlich effektiver in der Carboxylierung von Osteocalcin, das die Calcium-Einlagerung in die Knochenmatrix fördert. Auch für die Aktivierung des Matrix-Gla-Proteins (MGP), ein potenter Inhibitor (Hemmer) der Gefäßverkalkung, ist Vitamin K2 maßgeblich verantwortlich [11].
Proteine der Hämostase – Blutgerinnungsfaktor II, VII, IX und X
Die bei der Vitamin-K-abhängigen Carboxylierung entstehenden Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X sowie Plasmaproteine C und S sind für den Ablauf der normalen Blutgerinnung überaus wichtig. Vitamin K kann demnach als Koagulationsvitamin mit antihämorrhagischer (blutungshemmender) Wirkung bezeichnet werden [4]. Darüber hinaus nehmen die Blutgerinnungsproteine Einfluss auf den Knochenstoffwechsel. Die Vitamin-K-abhängigen Faktoren VIIa und X der Blutgerinnung stimulieren die Synthese des cysteinreichen Proteins 61 (hCYR61) sowie des connectiven Tissue Growth Factors (CTGF). hCYR61 und CTGF sind als Bestandteile der Extrazellulärmatrix für Wachstum und Angiogenese (Neubildung von Blutgefäßen) des Knochengewebes und damit für die Entwicklung des Knochens sowie in Phasen der Reparatur und des Umbaus essentiell [1, 3, 5, 6, 7].
Proteine des Knochenstoffwechsels – Osteocalcin (BGP)
Von besonderer Bedeutung für den Knochenstoffwechsel ist Vitamin K2 durch die Carboxylierung des in den Osteoblasten gebildeten Osteocalcins, das als Bestandteil der Extrazellulärmatrix (ECM) 2 % des Gesamtproteingehaltes des Knochens ausmacht. In seiner aktivierten, carboxylierten Form sorgt das Knochenprotein für die Einlagerung von Calcium in die Knochenmatrix und verhindert gleichzeitig eine Ablagerung in den Gefäßen. Da Osteocalcin bei gesteigerter Umbaurate und verstärkter Reparatur des Knochens in erhöhter Konzentration festgestellt wurde, ist Osteocalcin für den Knochenaufbau unentbehrlich [1, 3, 4, 5, 6, 7].
Proteine mit hemmender Wirkung auf die Gefäßkalzifikation – Matrix Gla Protein (MGP)
Neben seiner Bedeutung für den Knochenstoffwechsel trägt Vitamin K2 wesentlich zum Schutz der Gefäße bei. In Anwesenheit von Vitamin K2 wird das Protein Matrix Gla Protein (MGP), einer der wichtigsten Inhibitoren von Kalzifikation (Verkalkung), der im Knorpelgewebe und vor allem in der Gefäßwand glatter Gefäßmuskelzellen produziert und sezerniert wird, in seine aktivierte Form überführt. Die Carboxylierung ermöglicht eine Bindung von Calcium, was wiederum eine Ablagerung in den Gefäßen verhindert [3, 4].
Regenerationszyklus von Vitamin K bei der Carboxylierung von Proteinen
Während die unwirksamen Acarboxy-Vorstufen der Gerinnungsproteine, früher PIVKA (Protein induced by Vitamin K absence or antagonist), durch die Aktivität der Vitamin-K-abhängigen Carboxylase in ihre biologisch aktiven Formen überführt werden, kommt es zur Umwandlung von Vitamin KH2 (hydroxyliertes Vitamin K) in Vitamin K-2,3-Epoxid. Um erneut zur Carboxylierung der Gerinnungsvorstufen zur Verfügung zu stehen, muss Vitamin K regeneriert werden. Dazu fungiert die Carboxylase nun als Vitamin K-Epoxidase. Schließlich wandelt die Epoxid-Reduktase Vitamin K-2,3-Epoxid in natives Vitamin K (Chinon) zurück. Den letzten Schritt im Regenerationszyklus von Vitamin K führt die Vitamin-K-Reduktase aus. Durch diese kommt es zur Reduzierung des nativen Vitamin K zu hydroxyliertes Vitamin K (Vitamin KH2) [3, 4]. Damit die gesamte Carboxylierung an der Membran des endoplasmatischen Retikulums optimal ablaufen kann, muss Vitamin K-2,3-Epoxid kontinuierlich zu Vitamin KH2 regeneriert werden [3]. Ist der Vorgang der Carboxylierung abgeschlossen, werden die Proteine im endoplasmatischen Retikulum (strukturreiches Zellorganell mit einem Kanalsystem von Hohlräumen, die von Membranen umgeben sind) der Zelle transportiert und im Anschluss ausgeschüttet [3].
Orte der Carboxylierungsreaktion
Die Carboxylierung der Vitamin K-abhängigen Proteine ist für die jeweilige Proteinfunktion essentiell [3]. Sie findet zum einen in der Leber und zum anderen in den Osteoblasten des Knochens statt. Die Proteine können jedoch auch in anderen Geweben durch die Vitamin-K-abhängige Carboxylase carboxyliert werden. Beispielsweise wird Prothrombin im Muskelgewebe synthetisiert [3].
Unvollständige Carboxylierung und deren gesundheitlichen Folgen
Zu unvollständig carboxylierten Proteinen kann es zum Beispiel durch eine verminderte Vitamin-K-Aufnahme oder bei Behandlung mit Vitamin K-Antagonisten, wie beispielsweise Cumarin oder Warfarin, kommen [3]. Bei geringer Carboxylierung (under carboxylation „UC“) können die Proteine nicht vom endoplasmatischen Retikulum sezerniert werden – sie häufen sich dementsprechend vermehrt an. Dies kann – wie nachfolgend ausgeführt – weitreichende gesundheitliche Folgen haben.
Hämostase
Eine Untercarboxylierung der gerinnungsaktiven Proteine führt schließlich zu einer Hemmung der Gerinnungskaskade und erhöhter Blutungsneigung (hämorrhagische Diathese) [3].
Knochen- und Gefäßgesundheit
Werden insbesondere die Gla-Proteine des Knochens (BGP, MGP) vermindert carboxyliert, können aufgrund der vermehrten Ausscheidung von Calcium und Hydroxyprolin über den Urin Störungen in der Mineralisation des Knochens sowie Fehlbildungen sowohl während der Entwicklung als auch im Erwachsenenalter die Folgen sein [3]. MGP ist einer der wichtigsten Proteine mit inhibitorischer (hemmender) Wirkung auf die Verkalkung – Kalzifikation – von Geweben. MGP-Defizite können demnach zu einer erhöhten Verkalkung in Gefäßen und Knochen führen und somit die Entwicklung der beiden Volkskrankheiten Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung) und Osteoporose (Knochenschwund) begünstigen [3]. Anhand von Untersuchungen konnte bei Osteoporose-Patienten eine geringe Carboxylierung von Proteinen beobachtet werden [4].
Dagegen zeigen klinische Studien, dass eine Vitamin-K2-Supplementierung eine höhere Knochendichte bewirken und Osteoporose (Knochenschwund) vorbeugen kann. Besonders bei älteren Menschen, deren Knochendichte altersbedingt abnimmt, ist eine ausreichende Zufuhr von Vitamin K2 entscheidend, um Knochenschwund entgegenzuwirken [12-14]. Zudem kann eine gesteigerte Vitamin-K2-Aufnahme das Risiko für Atherosklerose (Arteriosklerose; Arterienverkalkung) reduzieren, was mit einem verringerten Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Myokardinfarkt (Herzinfarkt) oder Apoplex (Schlaganfall) verbunden ist [15-17].
Fazit
Vitamin K ist unverzichtbar für zahlreiche lebenswichtige Prozesse im Körper. Während Vitamin K1 hauptsächlich die Blutgerinnung fördert, übernimmt Vitamin K2 eine entscheidende Rolle für den Knochenstoffwechsel und den Schutz vor Gefäßverkalkungen. Eine ausreichende Versorgung mit beiden Vitaminformen ist daher unerlässlich, um Osteoporose, Atherosklerose und anderen gesundheitlichen Problemen vorzubeugen. Besonders Vitamin K2, das oft in der Ernährung zu kurz kommt, hat in Studien gezeigt, dass es die Knochendichte verbessert und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken kann.
Des Weiteren wurden die folgenden Fachbücher für die Verfassung dieses Artikels herangezogen [18, 19].
Literatur
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